Deshalb geht es in den wichtigsten Motorsportbewerben bei Bremsscheiben und –belägen nicht ohne Carbon

21.11.2018

 In der Formel 1 werden seit den 80er Jahren Carbon-Bremsen eingesetzt. Mittlerweile wird dieses Reibmaterial auch in den meisten anderen, wichtigen Wettbewerben für die Bremsscheiben und –beläge verwendet.

Wie ihr sicherlich verstanden habt, haben wir es hier mit dem Heiligen Gral der Bremsenmaterialien zu tun. Und tatsächlich weist kein anderes Element eine ähnlich gute Kombination aus Leichtigkeit, hoher Wärmeleitfähigkeit und Vermeiden von Ausdehnung bei Hitze auf wie es Carbon kann.

Diese Eigenschaften ermögliche einen hohen Reibwert, eine konstanten Leistung und die fast sofortige Ableitung der Hitze. Hier zum besseren Verständnis fünf interessante Fakten zur Nutzung dieses Elements.


 

CARBON WIRD NICHT NUR IN DER FORMEL 1 EINGESETZT

Die extreme Bremsleistung, über die moderne Formel 1-Autos verfügen – von 300 km/h auf 0 in weniger als drei Sekunden - wäre ohne Bremsscheiben und –beläge aus Carbon undenkbar. Carbonbremsen werden aber nicht nur in der Formel 1 eingesetzt, sondern seit Jahrzehnten auch in den Fahrzeugen des 24-Stunden-Rennens von Le Mans bzw. bei anderen Ausdauerwettbeweben der WEC (World Endurance Championship). Um aber bei den Langstreckenrennen den besten Wirkungsgrad von Carbon zu erreichen, musste zuerst das bei diesen Rennen wichtigste Thema angegriffen werden: die Abnutzung. Das Reibmaterial muss hier ja über die Dauer von 24 Stunden durchhalten, während es in den Rennen der Formel 1 um höchstens zwei Stunden geht. Eine echte Herausforderung für Brembo; es wurden Lösungen entwickelt, die speziell für schwerere Fahrzeuge geeignet sind und die auch Faktoren, die nicht direkt mit der Performance zu tun haben, berücksichtigen: der Scheibendurchmesser ist anders, weil die 18“-Räder es möglich machen, Durchmesser bis zu 380 mm einzusetzen. Die Scheibenstärke bleibt allerdings auch hier 32 mm.

 

Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre betraf hauptsächlich die Verbesserung des Verschleißverhaltens und zwar durch den Einsatz von Materialien, die der Abnutzung nur wenig unterliegen. In einem 24-Stunden-Rennen kann es entscheidend sein, ob der Tausch von Belägen und Scheiben während des Rennens vermieden werden kann, da damit wertvolle Zeit eingespart werden kann. Durch den Einsatz eines neuartigen Reibmaterials, das die Haltbarkeit deutlich erhöhte und durch das die thermische Leitfähigkeit effizienter wurde, ermöglichte Brembo es dem Team Joest mit den Piloten Frank Biela, Emanuele Pirro und Tom Kristensen auf einem Audi A8 schon 2001, das Rennen als Erster zu beenden, ohne Beläge und Scheiben auch nur ein einziges Mal austauschen zu müssen. Die derartig geringe Abnutzung führte in den letzten Jahre außerdem dazu, dass die Leistung vom Anfang bis zum Ende des Rennens unverändert und wiederholbar blieben.

Auch die Formel E setzt auf Carbon - ab der 5. Rennsaison (2018/19) wird Brembo der Exklusivhersteller für die Bremsen sein. Um den besonderen Bedürfnissen eines komplett elektrischen Fahrzeugs Rechnung zu tragen, ist das hier eingesetzte Carbon etwas anders als das, was in der Formel 1 und bei der WEC verwendet wird. Außerdem ist die Scheibenstärke der Carbon-Scheiben in der Formel E deutlich geringer: 24 mm vorne, 20 mm hinten.


 
 

CARBON AUCH BEI MOTORRÄDERN

Außer in den wichtigsten Autorennbewerben wird Carbon auch bei Motorrädern verwendet, allerdings nur in der MotoGP. Das Material hatte 1988 seine vorsichtige Premiere in der Königsklasse und wurde innerhalb von fünf Jahren zum absoluten Standard. Zu hoch war der Unterschied in der Leistung und beim Gewicht (noch dazu, wo die Bremsen ja ungefederte Massen sind) und das Bremsgefühl, verglichen mit den Bremsscheiben aus Stahl, die zuvor eingesetzt wurden. Heutzutage verwenden die meisten Moto-GP-Piloten 340 mm Bremsscheiben, teils als “High Mass” (mit hohem Reibring), teils als “Standard” (mit niedrigem Reibring). Um dasselbe Bremsmoment und eine zusätzliche Gewichtsersparnis zu erreichen, wurden auch 340 mm Bremsscheiben „Light“ eingeführt.

Einige andere verwenden hingegen weiterhin 320 mm Scheiben. Für jede Bremsscheiben- und Bremsbelagsversion gibt es zwei verschiedene Zusammensetzungen, die sich beim „Bite“ am Anfang und in der Widerstandsfähigkeit bei hohen Temperaturen unterscheiden. Da das Gefühl beim Bremsen für die Piloten entscheidend ist, bietet Brembo für die Bremsscheiben zehn verschiedene Optionen an, aus denen je nach Vorliebe gewählt werden kann. Dass es in der Moto2 und Moto3 keine Carbon-Bremsscheiben gibt, liegt daran, dass es dort Auflagen gibt, um die Kosten in Grenzen zu halten. Aus demselben Grund wurden sie ab 1994 auch aus der Superbike-WM verbannt: dort werden seither Edelstahl-Bremsscheiben eingesetzt, die meisten von ihnen auch von Brembo.


 

CARBON: HÖHERE LEITFÄHIGKEIT DURCH BELÜFTUNG

Eines der wichtigsten Themen bei den Bremsanlagen der Formel-1-Boliden war seit jeher, wie mit der hohen Hitzeentwicklung umgegangen wird. Um die bestmögliche Lösung für die Wärmeableitung zu finden, gab es bei den Carbon-Bremsscheiben von Brembo eine kontinuierliche Evolution. 2005 hatte jede Bremsscheibe etwa 100 Belüftungslöcher, heute, vor allem dank der Möglichkeit immer kleinerer Bohrungen, sind es mehr als 1.400 Belüftungslöcher. Die aktuellen Bohrungen der Brembo Bremsscheiben aus Carbon haben einen Durchmesser von 2,5 mm und sind auf vier oder fünf Reihen angeordnet. Sie werden mit einer Toleranz von nur 4 Hundertstel Millimeter hergestellt. Die Belüftungsformen werden mithilfe von CFD (Computational Fluid Dynamics) entwickelt und in Form und Anzahl an die jeweiligen Eigenschaften der einzelnen Fahrzeuge angepasst.

 

Bei den Hybridrennwagen LMP1, wo die Erholungsphasen zwischen den Bremsungen höher sind als in der Formel 1, ist die Anzahl der Belüftungslöcher geringer. In der Formel 1 können die Bremsscheiben während der Bremsungen Temperaturen über 1.000 Grad Celsius erreichen, beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans ist das Problem oft genau umgekehrt, nämlich dass die Scheibentemperatur in der Nacht bzw. in den Safety-Car-Phasen unter 300°C Betriebstemperatur sinkt, was als Grenze dafür gilt, um den gefürchteten „Glazing“-Effekt des Reibmaterials zu vermeiden. In der Formel E, wo die Höchsttemperaturen ungefähr um die 800° C liegen, haben die Carbon-Bremsscheiben von Brembo derzeit nur 70 Belüftungslöcher mit einem Durchmesser von 6,2 mm vorne bzw. 90 mit 4,2 mm Durchmesser an den hinteren Bremsscheiben.


 

CARBON AUCH AUF NASSER FAHRBAHN

Seit die Carbon-Scheiben fix in der Formel 1 eingeführt wurden, wollen die Piloten nicht mehr darauf verzichten, auch nicht bei Regenrennen. Obwohl in diesen Fällen geringere Temperaturen erreicht werden – da der Grip auf dem nassen Asphalt niedriger ist und der direkte Kontakt mit dem Wasser den Wärmetausch fördert - ermöglicht es die enorme Bremsleistung der Fahrzeuge den Piloten, nur durch leichte Veränderung der Luftansaugung innerhalb weniger Bremsungen während der Aufwärmrunde auf die optimale Betriebstemperatur zu kommen. Im Motorradsport war die Ausgangslage allerdings eine andere, denn die Bremsscheiben befinden sich im Freien und werden viel schneller kalt. Die nur zwei Räder reichen nicht dafür aus, die gesamte Bremsleistung aus der Brembo Carbon-Bremsanlage auf den Boden abzuleiten. Daher kam es nicht von ungefähr, dass der Vorzug bis vor eineinhalb Jahren bei Regen den Stahlscheiben gegenüber den Carbonscheiben gegeben wurde. Letztere konnten, wenn die Mindestbetriebstemperatur, die bei etwa 250°C liegt, nicht erreicht wurde, keinen guten Reibwert garantieren.

 

Brembo arbeitete weiterhin an der Verbesserung der Herstellungsprozesse und machte so am Ende das Unmögliche möglich. Dabei halfen auch die Erhöhung der Motorleistung, leistungsstärkere Reifen und der Einsatz von Abdeckungen für die Bremsscheiben. Beim GP von Japan 2017, wo es während der 24 Runden durchgehend stark regnete und die Asphalttemperatur so auf 15° C fiel, verwendeten die ersten neun Fahrer in der Wertung Carbon-Bremsscheiben.


 

AUF DER STRASSE BESSER MIT CARBON-KERAMIK

Trotz der großen Vorteile, die die Carbon-Bremsen auf der Rennstrecke bringen, bleiben sie für die Benutzung auf der Straße ungeeignet und zwar vor allem wegen ihrer hohen Bremsleistung derentwegen die Bremsanlage beim Fahren im normalen Straßenverkehr nicht auf die nötige Mindestbetriebstemperatur kommen kann, die eine Carbonanlage benötigen würde. Ein weiterer Grund dafür, dass sie auf der normalen Straße nicht zum Einsatz kommen können, ist der starke Verschleiß: während des 24-Stunden-Rennens von Le Mans liegt die Abnutzung der Bremsscheibe eines Rennautos bei 3 bis 4 mm, die der Bremsbeläge bei 8 bis 10 mm. Auch wenn es auf den Supersportwagen zu einer geringerer Abnutzung käme, wäre die Haltbarkeit doch zu gering, um eine derartige Investition sinnvoll erscheinen zu lassen. Denn ein weiterer Faktor sind die sehr hohen Kosten für Carbon-Bremsscheiben – was wie schon oben erwähnt auch der Grund dafür ist, dass sie in einigen Meisterschaften, sowohl für 2- als auch für 4-Rad-Fahrzeuge, nicht eingesetzt werden dürfen.

 

​Um aber die vielen Vorteile, die Carbon bringt, doch auch auf die Straßenfahrzeuge übertragen zu können, wurden Bremsscheiben aus Carbon-Keramik entwickelt. Für diese ist Brembo gemeinsam mit der Brembo SGL Carbon Ceramic Brakes - mit dem Joint-Venture-Unternehmen SGL Carbon Ceramic Brakes - der größte Hersteller weltweit.


Carbon-Keramik-Bremsscheiben bringen gegenüber einer traditionellen Graugussscheibe eine Gewichtsersparnis von 5-6 kg. Sie sind so lange haltbar, dass sie teilweise sogar die gesamte Lebensdauer des Fahrzeuges überdauern. Der Bremsweg von 100 auf 0 km/h wird um etwa 3 Meter kürzer. Damit nicht genug: Carbon-Keramik-Bremsscheiben sind korrosionsfrei, verformen sich bei Hitze nicht, verursachen keine Vibrationen, sind auch bei Regen zuverlässig und behalten auch nach zahlreichen, aufeinanderfolgenden Bremsungen und bei niedrigen Temperaturen dieselbe Bremsleistung.