Die Bremsgeheimnisse der MotoGP (zweiter Teil)

19.04.2016

 Wie nutzen sie die Betriebstemperaturen der Carbonbremsen? Diese und viele andere Fragen beantwortet Brembos Kundenbetreuer für die MotoGP

2014 genehmigten Dorna und Irta nach Antrag von Brembo in der MotoGP den Einsatz von 340 mm Scheiben. Das Unternehmen verwies auf die Sicherheitsrisiken der Fahrer bei Verwendung der 320 mm Scheiben (siehe Link vorheriger Artikel). Die Vergrößerung der Scheiben hat bei vielen Fahrern auch die Art zu bremsen verändert wie Lorenzo Bortolotto, Brembos Kundenbetreuer der MotoGP, in diesem Interview erklärt.


 

Wer war vom Wechselder320 mm zu den 340 mm Scheiben am meisten betroffen – der scharfe Bremser?

 

“Eigentlich nicht, denn es gibt einige Fahrer, die mit großem Anfangsdruck bremsen – Cal Crutchlow z.B. – und dann den Bremshebel fast sofort loslassen.

 

Andere hingegen üben einen starken Anfangsdruck aus und modulieren das Bremsen dann, wie Andrea Dovizioso, Valentino Rossi und Marc Marquez. Aber es gibt auch sanftere Bremser, wie Daniel Pedrosa und Jorge Lorenzo.

 

Die beiden Spanier bremsen nicht sehr stark, kommen aber mit hoher Fahrgeschwindigkeit in die Kurve. Es gibt verschiedene Arten das Bremsen zu steuern, deshalb ist es schwer zu sagen, ob einer besser bremst als der andere. Im Gegenteil, man kann sagen, dass jeder Fahrer seinen ganz eigenen Bremsstil hat.

 

Einige betätigen den Bremshebel etwas länger als andere, manche üben einen starken Anfangsdruck aus und lassen dann die Bremse los, wieder andere betätigen den Bremshebel am Anfang sanfter und modulieren dann, bis sie den Hebel loslassen.”

 

 

 

“Bevorzugt” die Brembo Anlage eine der drei beschriebenen Bremsarten?

                  
“Nein, weil der Reibwert des Kohlenstoffs zwischen 200 und 800 Grad optimal ist, daher ist es nur eine Frage des individuellen Fahrstils. Wir betonen ausdrücklich, dass wir bei der Entwicklung des Systems sehr von den Teams unterstützt wurden, die sich intensiv um die Optimierung der Kühlung an den  Scheiben bemüht haben. Auch das Design der Kotflügel wurde geändert, um mehr Luft auf die Scheiben zu leiten.”


 

Haben Sie auch an einer Leistungsverbesserung gearbeitet, nachdem die Funktionssicherheit wieder gegeben war?

                 

“Natürlich! Man kann sagen, dass die MotoGP Fahrer mit der 340 mm Scheibe über ein zusätzliches "Reservoir" an Bremsdrehmoment verfügen. Das steht z.B. beim scharfen Bremsen und in schwierigen Situationen jenseits des Limits zur Verfügung. Es stimmt aber auch, dass es mit der großen Scheibe schwieriger war, Bremsungen fein zu dosieren. Die Fahrer haben sich jedoch schnell darauf eingestellt.”

                                                    

 

 

​Was hat sich geändert?

“Gegenüber der 320 mm Scheibe hat die 340er einen härteren Anfangsbiss. Das ist natürlich kein Problem, aber dann, nach dem ersten "Biss", neigen die Fahrer dazu das Bremsen auch in der Kurve zu dosieren. Das heißt, sie kommen mit gezogenem Bremshebel in die Biegung und lassen den Hebel dann nach und nach los bis sie wieder beschleunigen."


 

Welche Konsequenzen hat das?

“Dass die Fahrer beim Dosieren nicht mehr auf maximale Bremswirkung sondern auf optimale Kontrolle aus sind. Das bedingt eine aggressivere Wirkung auf die Scheiben und resultierte gelegentlich in einer "Schließung" der Vorderbremse. Die Biker mussten daher ihren Fahrstil und ihr Bremsgefühl den Eigenschaften der 340 mm Scheibe anpassen.”


 

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Bis jetzt haben wir über die Kühlung der Bremsen gesprochen, aber gibt es Strecken, auf denen Dummys verwendet werden, um die Scheiben zu temperieren? Das genaue Gegenteil…

 “Ja, beispielsweise in Phillip Island. Dort wird im Winter bei niedrigen Temperaturen gefahren. In Australien montieren die Teams daher Abdeckungen aus Kohlenstoff, um die Scheiben "einzupacken", sodass die Mindestbetriebstemperatur von 200 Grad beibehalten wird. Dasselbe Problem kann auch in Assen oder in Le Mans bei entsprechenden Witterungsverhältnissen auftreten.

 

 Es muss noch gesagt werden, dass wir für beide Scheibendurchmesser auch zwei verschiedene Spezifikationen haben: Jene mit “hohem Bremsfläche”, mit der Gesamtmasse, und jene mit “niedrigem Bremsfläche”, mit einer deutlich weniger belasteten Oberfläche, zum einfacheren Erwärmen. Die 340 mm Carbon-Bremsscheibe mit dem niedrigen Band haben wir erst vor kurzem eingeführt.

 

Das kam bei den Fahrern gut an, denn auf bestimmten Strecken konnten sie die großen Scheiben bislang nicht verwenden, da sie diese bei Kälte nicht auf Betriebstemperatur brachten. So ist es uns gelungen alle Anforderungen zu erfüllen, auch in grenzwertigen Situationen.“


 

Wenn die berüchtigten 200 Grad nicht erreicht werden, entstehen dann Sicherheitsprobleme? 

“Nein, das System funktioniert trotzdem, aber es gibt große Leistungsunterschiede.”


 

(weiter…)