Brembo: Die Bremsgeheimnise der MotoGP

03.03.2016

 (erster Teil) Warum werden bei der MotoGP 340 mm Scheiben verwendet? Brembo erzählt Ihnen die ganze Wahrheit

Die MotoGP gilt als das extremste Forschungslabor für Zweiräder: Obwohl die Dorna-Vorschriften auch zur Sparsamkeit in Forschungsprojekten verpflichten, werden Leistungen  aller neuen Limits zum Trotz immer weiter verbessert. Davon können Brembo Techniker ein Lied singen, denn sie betreuen fast alle Teams, die in der Spitzenklasse der Motorrad-WM teilnehmen, und rüsten sie mit Scheiben und Sätteln aus. Lorenzo Bortolozzo, Brembos Kundenbetreuer für die MotoGP, hat einige Fragen beantwortet, damit wir besser verstehen, welche Wirkung die Bremsanlagen auf die Leistung der Prototypen mit 1000 cm3 Hubraum haben.


“In den Reglements der letzten Jahre wurden immer schwerere Motorräder vorgeschrieben, die neue Höchstgeschwindigkeiten erreichen. Daher musste auch unsere Brembo Karbonbremsanlage den neuen Gegebenheiten angepasst werden."


 


 
 

Welche Maßnahmen mussten ergriffen werden?


 

“Beim Bremsen entsteht kinetische Energie, die in Form von Wärme abgeleitet werden muß. Diese entsteht durch die Reibung zwischen der Karbon-Bremsscheibe und dem Bremsbelag, der ebenfalls aus Karbon besteht.

Bis vor 3 Jahren war es noch möglich, Scheiben mit einem maximalen Durchmesser von 320 mm zu verwenden, aber wegen höherer Geschwindigkeit und Mehrgewicht der Motorräder rückten wir sehr nah an die Leistungs- und Sicherheitslimits dieses Scheibentyps.

Karbon funktioniert bei hohen Temperaturen sehr gut, aber beim Überschreiten von Grenzwerten, besonders wenn sie mehrmals im Laufe einer Rennrunde überschritten werden, kommt es zur Oxidation. Die Leistungskraft nimmt ab, wenn auch nicht dramatisch. Die Abnutzung der Scheiben und Beläge allerdings steigt drastisch, was echte Sicherheitsrisiken birgt.

Der Fahrer bemerkt zwar nur einen geringen Leistungsabfall, aber tatsächlich nutzt sich der Belag in einer solchen Phase so stark ab, dass er sich sogar vom Bremssattel lösen kann.”


 

Und wie haben Sie eingegriffen?


“Solange es wegen der Dorna- und IRTA-Vorschriften nicht möglich war, den Scheibendurchmesser zu vergrößern, haben wir die Reibfläche des Belags vergrößert, um die Wärmeableitung zu erleichtern. Aber schließlich hatten wir den Punkt erreicht, wo nicht einmal das mehr genügte…”


Haben Sie bei den Organisatoren der MotoGP auf das Sicherheitsproblem hingewiesen?


“Dorna und IRTA haben, angesichts der Tatsache, dass man der Leistungs- und Sicherheitsgrenze des Materials recht nahe gekommen war, sehr sensibel auf das Problem reagiert. Von 2014 an wurde uns dann gestattet, eine größere Scheibe mit 340 mm Durchmesser aber gleicher Stärke zu verwenden. So konnten die Sättel unverändert bleiben. Neben Sicherheit und Leistung wurden auch die Kosten entsprechend berücksichtigt um eine Preissteigerung zu verhindern.. ”.              


 

War die Scheibe mit 340 mm Durchmesser DIE Lösung?


 

“Viele Teams haben die große Scheibe mit Bremssätteln mit größeren Bremsbelägen kombiniert. Auf der 340 mm Scheibe kann man dasselbe Bremsdrehmoment erzeugen wie auf einer 320 mm Scheibe. Tatsächlich waren die Fahrer mit den 320 mm Scheiben einem erhöhten Sturzrisiko ausgesetzt. Wie in der Aufzeichnung klar zu erkennen war, hob sich dass das Hinterrad in der Bremsphase ab. Die Änderung auf die größeren Scheiben bewirkte bei gleichem Bremsdrehmoment jedenfalls eine erhebliche Verbesserung: Der Druck in der Bremsphase hat sich verringert, die Bremswerte wurden besser und die Temperaturen an Scheiben und Belägen sanken.“


Gibt es zwischen der 320 und der 340 mm Scheibe einen Gewichtsunterschied?


“Ja, aber der bewegt sich im Rahmen von 100 Gramm. Das wird von den Fahrern im Handling der Maschine nicht wahrgenommen. Eine Scheibe wiegt knapp über 1,3 kg, aber ein Reifen mit montierter Felge wiegt deutlich mehr (fast eine Zehnerpotenz mehr).“

 

 

Wie hoch war der Temperaturunterschied an den Scheiben?


“Na ja, die 340er Scheiben hatten gegenüber den 320er Scheiben eine um ca. 100 Grad geringere Temperatur! Wenn man bedenkt, dass der maximale Wert bei ca. 800 Grad liegt, kann man verstehen, welch drastische Verbesserung der Eingriff in Bezug auf die Sicherheit für den Fahrer hatte”.


Konnte man 2015 wieder vermehrt Lufteinlässe für die Bremsen verzeichnen?


“Ja, aber zugunsten der Sättel und nicht der Scheiben”.


In der Formel 1 wird die Bremsanlage auch zum Erwärmen der Reifen und mit aerodynamischen Funktionen verwendet. Ist das in der MotoGP auch so?


“Nein, unsere Zielsetzung ist die Verbesserung der Bremsleistung und die Gewährleistung der Sicherheit”.


 

(weiter…)”.