Das Geheimnis von Doviziosos Erfolgen? Vielleicht eine besondere Brembo Bremse

20.06.2017

 Seit einem Jahr verwendet der Ducati-Pilot eine Daumenbremse von Brembo. Was ist das und wie funktioniert sie?

​Nach dem Doppelsieg letzte Woche (GPs von Italien und von Katalonien) bringt Andrea Dovizioso alle Ducati-Fans zum Träumen. Seit 2010, zu Zeiten eines gewissen Casey Stoners, konnte der italienische Hersteller aus Panigale keine 2 Siege hintereinander mehr feiern.

Nun fragen sich alle: was steckt hinter der Wiederauferstehung des Piloten aus Forlì?
In der ersten Hälfte der letzten Meisterschaft hatte Dovizioso nur ein einziges Rennen gewonnen, nun innerhalb von sieben Tagen gleich zwei und wenn wir den GP von Malaysia gegen Ende der letzten Saison noch dazuzählen, sind es eigentlich sogar drei Siege. Die wundersame Verwandlung, die in den letzten 12-15 Rennen stattgefunden hat, ist sicherlich das Resultat verschiedener Faktoren.

Sie fällt allerdings genau mit dem Zeitpunkt zusammen, ab dem eine eigentlich schon abgehakte, besondere Technologie von Brembo wieder zur Anwendung kam. In der 2. Hälfte der vergangenen Saison fing Dovizioso damit an, die hintere Bremse über einen Hand-Bremshebel zu betätigen, einer technischen Lösung, die von den Brembo Ingenieuren extra für ihn wieder ausgegraben wurde. Im Laufe der letzten Monate perfektionierte Andrea diese Technik soweit, dass er damit nicht nur das Motorrad abbremsen, sondern es auch während der Beschleunigung ausbalancieren kann.

Durch dosiertes Betätigen vermeidet Dovizioso gefährliches Durchdrehen der Räder, so als hätte er eine - im wahrsten Sinne des Wortes „manuelle“ - Traktionskontrolle. Aber sehen wir uns genauer an, was es mit dieser besonderen Hinterradbremse auf sich hat und welche Vorteile sie bringt.


 

 

 
 

DIE VORGESCHICHTE

Die sogenannte Daumenbremse war ursprünglich von Brembo Ingenieuren entwickelt worden, um den körperlichen Unzulänglichkeiten von Mick Doohan entgegenzusteuern.
Der Australier war 1992 beim Training für den GP der Niederlande in der 500-er Klasse gestürzt, sein rechtes Bein, das bei dem Unfall eingequetscht wurde, hätte fast amputiert werden müssen.
Da er mit diesem verletzten Bein Schwierigkeiten hatte, die Bremsungen zu modulieren, entwickelten die Brembo Ingenieure eine ad hoc Lösung für ihn: die hintere Bremse wurde statt rechts über ein Fußpedal nun über einen Handbremshebel auf der linken Seite des Lenkers betätigt.
Nicht zuletzt dank dieser Lösung konnte Mick Doohan bei den Rennen wieder mithalten und gewann sogar von 1994 bis 1998 mühelos fünf Weltmeisterschaften hintereinander. Viele Experten sagen heute noch, dass der Einsatz der Daumenbremse entscheidend zu diesen außergewöhnlichen Siegen beitrug.


 


DIE WIEDERAUFERSTEHUNG

Nach dem Vorbild Doohans verwendeten danach auch andere Piloten diese Lösung, allerdings mit wechselndem Erfolg und keiner so effektiv wie der Australier. Nachdem sie für einige Zeit in Vergessenheit geraten ist, erlebt sie nun ihren zweiten Frühling: Dovizioso verwendet sie schon seit 2016, dieses Jahr kam auch Danilo Petrucci dazu und mehrere andere machen gerade Fahrversuche mit der Daumenbremse. In der SBK Klasse hingegen ist Tom Sykes ein begeisterter Nutzer der Brembo Daumenbremse.

 

 
 

DIE VORTEILE

Der Verwendungszweck ist mittlerweile allerdings ein anderer als der, für den diese Bremse ursprünglich entwickelt worden war. Die Fahrer verwenden sie heute hauptsächlich dafür, das Durchdrehen der Räder in den Kurven zu verhindern.
Die Daumenbremse wird also wie eine Traktionskontrolle verwendet: sie wird in der Kurvenmitte eingesetzt, um möglichst nahe an der Ideallinie zu bleiben und das Motorrad möglichst schnell wieder gerade zu stellen. Die Daumenbremse hat im Vergleich zur traditionellen Hinterradbremse eine höhere Ergonomie. Fahrer mit Schuhgröße ab Größe 43 haben generell Schwierigkeiten, das Bremspedal in der Kurvenmitte, wo die Neigung mehr als 60° beträgt, zu betätigen, da der Asphalt dem Motorrad immer näherkommt.
Außerdem ist das Kommando bei der Betätigung des Hebels mit dem Daumen sensibler und kann mit feinerer Abstimmung eingesetzt werden, allerdings braucht es Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Heute wird die Brembo Daumenbremse in der MotoGP zusätzlich zur Fußbremse eingesetzt. Als Rückbremse wird in diesem Fall eine Brembo Bremse mit doppeltem Kreislauf eingebaut, damit die Bremse je nach Bedarf sowohl über das Fußpedal als auch über die Daumenbremse betätigt werden kann.


 

DAS FEINTUNING

Natürlich ist das Umsteigen von der Fußpedalbremse auf die Daumenbremse nicht so ohne Weiteres und sofort möglich. Es müssen zuerst die richtigen Einstellungen gefunden werden, zu allererst z.B. der richtige Platz für die Daumenbremse auf dem Lenker, dann muss optimal justiert werden, möglichst unter Einbeziehen der gewohnten Abläufe des Piloten, um diese dann optimieren zu können.
Bedenkt man, dass die hintere Bremse auf der Rennstrecke oft verwendet wird, um in der Kurve auf der Ideallinie zu bleiben, und das während die Piloten gleichzeitig Gas geben, wird klar, dass die Vorteile und Möglichkeiten der Daumenbremse von denjenigen Fahrern am besten ausgenutzt werden können, die beim Druck auf die Daumenbremse das höchste Feingefühl entwickeln können.
Aus diesem Grund und dank der jahrelangen Erfahrung auf den Rennstrecken legte Brembo ein besonderes Augenmerk auf die Modulierbarkeit und die Ergonomie dieser Rückradbremse. Laut einiger Internetportale hat Jorge Lorenzo im Februar in Australien damit begonnen, die Daumenbremse zu testen, auch wenn er es vor einigen Jahren mit Yamaha in Sepang schon einmal versucht und wieder verworfen hatte. Derzeit testen tatsächlich einige Fahrer diese Lösung von Brembo.

 

 

IST DIE DAUMENBREMSE IM HANDEL ERHÄLTLICH?

Ist es möglich, auch für das eigene Motorrad oder Moped eine Brembo Daumenbremse zu kaufen?

Natürlich - unter www.moto.brembo.com findet ihr alle Modelle, die für Eure Maschinen erhältlich sind. Die Bremse wird mit dem linken Daumen betätigt, sie hat einen 13 oder 14mm-Kolben und einen Achsabstand von 16. Wir möchten darauf hinweisen, dass diese Komponente speziell für den Rennsport entwickelt wurde.

Es kann daher für den Einsatz auf dem eigenen Motorrad notwendig sein, beim Einbau Adapter, die nicht zum Lieferumfang gehören, zu verwenden. Im Übrigen sollte der Einbau von Fachleuten mit Kenntnissen im Rennsport durchgeführt werden.

Ein Daumen reicht, um Eure Fahrweise zu revolutionieren.