F1 vs Formel E: nicht immer bedeutet stärker auch besser

08.07.2019

 Was würde passieren, wenn wir die Bremsen, die in der Formel 1 und in der Formel E verwendet werden, miteinander vertauschen würden? Welches der beiden Rennautos würde davon profitieren?

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Wenn wir von Motorsportbewerben sprechen, sind wir daran gewöhnt, dass “mehr” auch “besser” ist: ein stärkerer Motor hat Vorteile gegenüber einem weniger starken, eine größere Reifenaufstandsfläche ist besser als eine kleinere. Für die Bremsanlage stimmt das aber nicht immer, denn die maximale Bremsleistung ist nur eine von mehreren wichtigen Variablen, die eine Bremsung perfekt machen.​

Um dies zu verdeutlichen, haben wir uns einen unmöglichen Tausch überlegt. Was würde passieren, wenn wir die Bremsanlagen, die in der Formel 1 und in der Formel E eingesetzt werden, miteinander tauschen? Wenn wir also das Bremssystem, das derzeit in der Formel E verwendet wird, in einen Formel-1-Wagen einbauen würden bzw. umgekehrt?​


 


 

Konstruktionsunterschiede​

Die Unterschiede zwischen den beiden Bremsanlagen sind tatsächlich sehr groß: die Formel-1-Wagen verwenden vorne 32 mm starke Bremsscheiben, hinten 28-32 mm bzw. Beläge mit einer Stärke von 22 mm vorne und 17 mm hinten. Die Scheiben haben bis zu 1.480 Belüftungslöcher, die jeweils einen Durchmesser von 2,5 mm aufweisen.​


In der Formel E werden dagegen Scheiben und Beläge mit geringerer Stärke eingesetzt, da das Reibmaterial weniger stark abgenutzt wird: die Scheiben sind vorne 24 mm und hinten 20 mm stark, die Beläge vorne 18 mm und hinten 16 mm. Die Anzahl der Belüftungslöcher auf den Bremsscheiben sind vorne ca. 70 und hinten 90.​


 

Die Auswirkungen eines Tauschs​

Anders als erwartet hätte keines der beiden Fahrzeuge einen Vorteil, wenn die Bremsanlagen getauscht würden: denn sowohl die Bremsanlage für die Formel E also auch die für die Formel 1 wurden so entwickelt, dass Design und Gewicht optimal auf die spezifischen Eigenschaften des betreffenden Fahrzeuges abgestimmt werden.​

Die Formel-1-Wagen haben ein Mindestgewicht – inklusive Fahrer – von 733 kg (plus dem Gewicht des Treibstoffes von ungefähr 100 kg zu Beginn des Rennens), die Fahrzeuge der Formel E wiegen - aufgrund des Gewichts der Batterie, das 43% des Gesamtgewichts ausmacht – nicht weniger als 900 kg. Außerdem haben die Reifen in der Formel E eine um mehr als 40 % geringere Reifenaufstandsfläche als die in der Formel 1.​


 


 

Von der Formel E zur Formel 1​

Wenn in der Formel 1 die aktuelle Bremsanlage der Formel E eingesetzt würde, könnten nicht dieselben Leistungen erbracht werden, die derzeit möglich sind, vor allem was Bremswege und –zeiten betrifft. Ein aktuelles Formel-1-Auto kann die Geschwindigkeit in nur 110 Metern Bremsweg bzw. in weniger als 2 Sekunden um 200 km/h reduzieren. Beim Einsatz der Formel-E-Bremsanlage in einem Formel-1-Wagen würden beide Werte ansteigen.​

Außerdem wäre die Bremsanlage der Formel E für die Formel 1 unterdimensioniert und würde sich deshalb in kürzester Zeit zu sehr erhitzen. Das wiederum brächte mit sich, dass das Reibmaterial, das für die Formel E im Übrigen für kürzere Renndistanzen konzipiert wird, schneller abgenutzt würde. Kurzum die Rennwagen der Formel 1 könnten nicht nur nicht unter Ausnutzung des vollen Grip der Reifen verzögern, sie hätten darüber hinaus schon nach wenigen Kurven große Probleme mit den Bremsen. ​


 

Von der Formel 1 zur Formel E​

Auch wenn wir das Spiel umdrehen und eine Bremsanlage der Formel 1 in ein Formel-E-Auto einbauen würden, wären die Auswirkungen dysfunktional. In diesem Fall hätten nämlich die Formel-E-Rennwagen eine völlig überdimensionierte Bremsanlage. Höchstwahrscheinlich würden die Bremsen, da sie im Verhältnis zu den Anforderungen dieser Autos eine viel zu hohe Bremskraft haben, nicht einmal die notwendige Betriebstemperatur erreichen. ​

Das Carbonmaterial, aus dem die Bremsscheiben und –beläge für den Einsatz in der Formel 1 hergestellt werden, garantiert bei zu niedrigen Betriebstemperaturen nicht die korrekte Funktionsfähigkeit des Reibmaterials und kompromittiert damit die Bremsleistung. Außerdem besteht unter solchen Bedingungen die Gefahr der Verglasung (grazing) des Reibmaterials, was wiederum zu einer Verschlechterung der Bremseffizienz führt. Und damit nicht genug - das mechanische Wirken der Beläge auf die „kalten“ Scheiben führt auch zu einer erhöhten mechanischen Abnutzung. Das Ergebnis? Genau dasselbe wie im ersten Fall: gefährlich veränderte Bremsleistungen und eine rasche Abnutzung.​


 

Und die Zukunft?​

Derzeit können wir nicht abschätzen, wie die Bremssysteme in der Formel 1 und der Formel E sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln werden, auch wenn es wahrscheinlich ist, dass die Unterschiede mit der Zeit immer geringer werden. Was wir definitiv wissen, ist, dass Brembo weither die Daten, die auf den Rennstrecken gesammelt werden, dazu verwenden wird, um das Fahren auch im Straßenverkehr immer sicherer, angenehmer und aufregender zu machen. So war es in der Vergangenheit bei der Formel 1, so wird es in Zukunft auch in der Formel E sein.​


 
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